Liquiditätssicherung - In welcher Reihenfolge sollte ich Maßnahmen ergreifen?

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Liquiditätssicherung - In welcher Reihenfolge sollte ich Maßnahmen ergreifen?

In vorherigen Beiträgen haben wir bereits eine Reihe von betriebswirtschaftlichen Maßnahmen aufgeführt, mit denen man auf die Herausforderungen, die mit der derzeitigen Corona-Pandemie einhergehen, reagieren kann. Nun stellt sich für viele Inhaber die Frage, welche dieser Maßnahmen als erstes ergriffen werden sollten bzw. ob es überhaupt notwendig ist, alle Maßnahmen zu ergreifen.

Um diese Frage zu beantworten, kann die sogenannte Hackordnungstheorie oder auch „Pecking Order Theory“ aus der Betriebswirtschaftslehre herangezogen werden. Diese Theorie besagt zusammengefasst, dass Unternehmen ihre Finanzierungsquellen nach dem Prinzip der geringsten Kosten und des geringsten Widerstandes priorisieren sollten. Folglich muss geschaut werden, wie teuer einzelne Maßnahmen sind und dementsprechend sollten diese gewählt werden.

Hierbei gilt es zu beachten, dass internen Maßnahmen, die sich z.B. erhöhend auf den Umsatz oder senkend auf die Kosten auswirken, meist die nachhaltigsten sind. Diese sind direkt erfolgswirksam und können im Idealfall dauerhaft wirken. Gleichzeitig haben diese oft die niedrigsten oder gar keine direkten Umsetzungskosten. Anders sieht es bei den erfolgsneutralen Maßnahmen aus, bei denen man die Liquidität durch externe Partner wie Banken oder Lieferanten erhöht. Diese Maßnahmen sind meist einmalig oder temporär und es fallen Kosten in Form von Zinsen, Zuschlägen oder entgangenen Skonti an.

Für die Optimierung der Praxisliquidität gilt also: Erfolgswirksame Maßnahmen vor erfolgsneutralen Maßnahmen!

Was sind erfolgswirksame Maßnahmen?

Zu den erfolgswirksamen Maßnahmen zählen Positionen, die den Gewinn beeinflussen. Hierzu gehören beispielweise die Steigerung der Umsätze und die Senkung bzw. Vermeidung von Kosten.

An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass eine Senkung der Kosten und die Vermeidung von Auszahlungen stets der Steigerung von Einnahmen vorgezogen werden sollte, da Letzteres in der aktuellen Situation lediglich ein Vorziehen der Position und damit nicht nachhaltig ist.

Was gilt es zu beachten?

Eine Beschleunigung der Einnahmen oder die Verzögerung von Ausgaben hilft zwar temporär die Liquidität zu sichern, langfristig ist sie aber nicht erfolgswirksam und stellt damit nur eine Verschiebung der Positionen dar. Versuchen Sie vorzugsweise Einnahmen so gut es geht zu halten und Kosten zu senken, bevor Sie Maßnahmen ergreifen, die das Problem nur verschieben

Was sind erfolgsneutrale Maßnahmen?

Positionen, die den Gewinn nicht beeinflussen, den Kontostand hingegen aber schon, werden den erfolgsneutralen Maßnahmen zugeordnet. Als Beispiel kann hier die Aufnahme neuer Kredite genannt werden, die Stundung von Zahlungen (egal ob Kredite, Mieten, Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge) oder die verzögerte Bezahlung von beispielsweise Lieferanten.

Was gilt es zu beachten?

Erfolgsneutrale Maßnahmen verursachen häufig Kosten in Form von Zinsen, entgangenen Skonti, Säumniszuschlägen, Mahngebühren etc. Es sollten daher zuerst die günstigen Arten der Finanzierung herangezogen werden und nur als letztes Mittel die teureren. Zu den kostengünstigen bzw. kostenlosen Maßnahmen gehört die Beschleunigung der Einnahmen, sofern man diese selbst in Rechnung stellt oder man kostengünstig/kostenlos auf Sofortabrechnung umstellen kann.

Beachten Sie außerdem, dass jede Maßnahme mit allen betroffenen Geschäftspartnern abgestimmt wird, denn bei unabgestimmten Verhalten kann das Vertrauen zu wichtigen Geschäftspartnern nachhaltig beschädigt werden. Dies rächt sich nach der Krise. Als allerletztes Mittel kann die Privateinlage herangezogen werden.

Zusammenfassend bedeutet das also, dass zunächst Maßnahmen zu ergreifen sind, die nachhaltig und möglichst günstig sind. Erst nachgelagert sollten Maßnahmen umgesetzt werden, die nur kurzfristig Abhilfe verschaffen und schlussendlich teuer sind.

Aus unserer Sicht ergibt sich daraus folgende „Pecking Order“

Schritt 1: Kosten reduzieren

Zunächst sollten vor allem gewinnwirksame Maßnahmen auf der Kostenseite ergriffen werden, denn jeder nicht ausgegebene Euro ist ein Euro mehr Liquidität und Gewinn. Außerdem handelt es sich hier um Maßnahmen, die in keinerlei Abhängigkeit von der Zustimmung eines Lieferanten, einer Bank, einer Behörde oder ähnlichem stehen.

Beispiele hierfür sind:

  • Kurzarbeit
  • Anpassung der Vorauszahlung auf Nebenkosten & Steuern an die tatsächlichen Gegebenheiten

Weitere Informationen zu diesen Maßnahmen finden Sie auch in unserem Artikel zu konkreten Maßnahmen auf Umsatz- und Kostenseite sowie weiteren Überbrückungsmaßnahmen.

Schritt 2: Einnahmemöglichkeiten

Im nächsten Schritt können gewinnwirksame Maßnahmen auf der Einnahmenseite ergriffen werden:

  • Soforthilfen des Bundes und der Länder, sofern die Praxis die Voraussetzungen erfüllt, da es sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss handelt. Weitere Informationen zu den wirtschaftlichen Soforthilfen finden Sie in unserem Artikel zu den Hilfspaketen des Bundes und der Länder.  
  • Abrechnung der Corona-Hygiene-Pauschale von 14,23 Euro (Extravergütung in analoger Anwendung der GOZ Nr. 3010)
  • Maßnahmen, die die Umsatzbasis sichern: die Optimierung der Aufrechterhaltung der Behandlung, soweit dies zulässig und vertretbar ist

Schritt 3: Zahlungsfluss sicherstellen

Wenn der Umsatzeinbruch minimiert wurde, gilt es als nächstes, den schnellen Zahlungseingang der gestellten Rechnungen sicherzustellen. In aller Regel ist die Beschleunigung der Einnahmen mit wenig Kostenaufwand möglich:

  • Zeitnahe Abrechnung der Privatanteile
  • Zeitnahe Überprüfung der Patientenzahlungen
  • Zeitnahe Zahlungserinnerung
  • Automatisierung mit Software
  • Umstellung auf Sofortauszahlung (viele Abrechnungsgesellschaften haben hier aktuell Angebote)

Schritt 4: Cash-Management - insbesondere Stundungen

Erst wenn die vorangegangenen Maßnahmen ausgeschöpft sind und die Praxis weiterhin von einem Liquiditätsengpass ausgeht, sollten weitere Maßnahmen zur Liquiditätssicherung bzw. -beschaffung herangezogen werden.

Wie Sie ermitteln, wie groß Ihre Liquiditätslücke wirklich ist, erfahren Sie in unserem Artikel, der sich mit der Erstellung einer Liquiditätsplanung auseinandersetzt.

In diesem Schritt muss sich die Praxis primär damit beschäftigen, was die Maßnahmen jeweils kosten. Letztendlich können alle Stundungen von Zahlungen (egal ob Kredittilgung, Mieten, Steuern, Sozialversicherungsbeiträge) oder die verzögerte Zahlung z.B. von Lieferanten wie Kredite betrachtet und auch preislich miteinander verglichen werden. Es sollten daher zuerst die günstigen Arten der Finanzierung herangezogen werden:

  • Die Stundung der Einkommensteuer bis zum 31.12. ist nach den bisherigen Auskünften einfach zu beantragen (bei Nachprüfung der Voraussetzungen für Stundungen sind keine strengen Anforderungen zu stellen) und auf die Erhebung von Stundungszinsen wird in der Regel verzichtet.
  • Die Stundung von Lohnsteuer für den Arbeitgeber ist derzeit nicht per Gesetz vorgesehen. Das liegt daran, dass es sich um eine Steuer des Mitarbeiters handelt. Man muss sich mit dem Finanzamt individuell in Verbindung setzen und eine Verschiebung oder Fristverlängerung beantragen. Hierbei hilft Ihnen Ihr Lohnbüro oder Steuerbüro. Dabei sollten Sie aber unbedingt in Erfahrung bringen, ob eine Stundung dann verzinst wird. Das Gute ist, dass die Lohnsteuer bei Kurzarbeit nicht anfällt und damit das Problem der Verzinsung entfällt.
  • Die Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen (zunächst für März bis April bis zur Fälligkeit des Monats Mai) ist ebenfalls ohne Stundungszinsen, Säumniszuschläge und Mahngebühren möglich.
  • Die Stundung der Beiträge zum Versorgungswerk kann unter Umständen teuer werden, hier variieren aber die Regelungen der einzelnen Bundesländer (z.B. 7,5% in Nordrhein-Westfalen, 6% p.a. in BaWü, RP; 0,5-2,5% in Sachsen; kostenlose Ratenzahlung in HH, MVP); es ist ratsam die genaue Regelung anzufragen.
  • Kosten der Stundung von Mietzahlungen: Diese darf die Praxis nicht einfach aussetzen, sonst ist sie im Verzug und schuldet ca. 4% p.a. Verzugszinsen. Gegebenenfalls kann hier eine günstige Regelung mit dem Vermieter getroffen werden.

Ein Problem bei allen Stundungen: Sie wirken nur kurzfristig (3-6 Monate oder bis zum Jahresende) und danach entsteht ein erhöhter Bedarf. Mit dieser Maßnahme kann aber Zeit gewonnen werden, in der man sich um andere Mittel bemüht, beispielsweise um Kredite:

  • Die Aufnahme eines neuen Kredits ist oft eine relativ günstige Möglichkeit (1-3% in Abhängigkeit vom jeweiligen Kredit)
  • Die Kosten der Stundung von Kredittilgungen sind abhängig vom Zinssatz. Daher sollte vorher geprüft werden ob ein neuer Kredit günstiger ist als Tilgungsaussetzung.

Allgemein gilt, dass der Verzicht auf Skonti eine sehr teure Art der Finanzierung ist. Sofern man anderweitig günstiger liquide Mittel besorgen kann, sollte man Skonti daher ziehen (z.B. 3% bei ZZ 30 Tage = >35% Zins p.a.)

Schritt 5: Eigene Mittel

Erst, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind, kann im letzten Schritt eine Privateinlage notwendig werden.

Die Rangordnung und Schritte können im Einzelfall abweichen. Wenn Sie Hilfe benötigen kommen Sie daher gerne auf uns zu.