„Viele Zahnärztinnen und Zahnärzte vermissen die Leichtigkeit in ihrem Praxisalltag“

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„Viele Zahnärztinnen und Zahnärzte vermissen die Leichtigkeit in ihrem Praxisalltag“

Wer eine Zahnarztpraxis führt, muss viele Bälle gleichzeitig in der Luft halten – und manchmal werden Themen wie Praxismanagement und Teamführung mit der Zeit erdrückend. Um wieder die Oberhand zu gewinnen, benötigen Praxisinhaber:innen „Innere Stärke“, sagt DentalTrainer Jan Schmidt. Was das ist, wie man sie erlangt und wie sie im Praxisalltag hilft, erklärt er auf den solvi days Mallorca 2023 – und hier schon mal vorab im Interview.

 

Herr Schmidt, auf den solvi days auf Mallorca halten Sie einen Vortrag über „Innere Stärke, um die Herausforderungen des Praxis-Alltags zu meistern“. Müsste man nicht eigentlich davon ausgehen, dass Zahnärzt:innen nach ihrem toughen Studium und als Praxisinhaber:innen sowieso über große innere Stärke verfügen?

Jan Schmidt: Auf jeden Fall! Das ist gar keine Frage: Als Zahnärztin oder Zahnarzt zu arbeiten, ist körperlich, kognitiv und mental Höchstleistung, und wer eine Zahnarztpraxis führt, hat ja noch sehr viel mehr um die Ohren. Um das zu schaffen, muss man sehr diszipliniert und konzentriert sein, das erfordert Stärke. Was ich aber in meinem Vortrag mit „Innerer Stärke“ meine, geht tiefer und dreht sich um das Thema Zentrierung und die eigene Wahrnehmung: Wie sehr bin ich in meiner Mitte – körperlich und mental? Denn nur dann bin ich wirklich Chef oder Chefin in meiner Praxis, und zwar auch dann noch, wenn die Belastungen im Praxisalltag steigen.

Was meinen Sie damit genau?

In unserer Gesellschaft haben viele von uns verlernt, auf ihre eigenen Gefühle zu achten und sie wahrzunehmen. Also, überhaupt erst einmal zu verstehen, was man tatsächlich fühlt. Häufig zeigen wir nach außen Wut – und verstehen gar nicht, dass womöglich in Wahrheit Angst oder Traurigkeit dahinterstehen. Für mich heißt Innere Stärke deshalb, einen inneren Kompass zu haben für die eigenen Gefühle, auch für die Gefühle von Ruhe, Leichtigkeit und Erfolg, und sich nicht von seinen Emotionen hin- und herschubsen zu lassen.

Warum ist es wichtig zu verstehen, was ich fühle und ob ich nun wütend bin oder Angst habe?

Wenn wir nicht in der Lage sind, bewusst zu fühlen, laufen unsere Gefühle im Unbewussten ab und im Handeln übernimmt der Autopilot. Denn wenn ich Angst habe, aber sie nicht zulasse und wegdrücke, wird diese Angst mich in meinem Handeln blockieren. Der Neurobiologe Gerald Hüther sagt: „Denken, Fühlen und Handeln sind IMMER untrennbar miteinander verbunden.“ Im Denken und Handeln sind wir ja meistens stark, aber wenn ich mich mit dem dritten Teil, den Gefühlen, kaum beschäftige, dann laufe ich Gefahr, Entscheidungen zu treffen, die mir nicht guttun. Und das immer wieder, auf Autopilot eben. In meinen Einzelcoachings sehe ich das Leid und den Schmerz, den das verursacht. Und das sind wirklich keine Einzelfälle.

Mit welchen Themen kommen die Zahnärzt:innen denn zu Ihnen ins Einzelcoaching?

Früher kamen die meisten mit einem sachlichen Thema, zum Beispiel weil sie in ihrer Zahnarztpraxis eine hohe Fluktuation hatten oder einem Mitarbeiterschwund vorbeugen wollten. Inzwischen sagen mir viele Zahnärztinnen und Zahnärzte: „Ich habe die Leichtigkeit in meinem Alltag verloren. Früher fluppte es, jetzt ist es immer das gleiche Drama, dieselben nervenden Themen, und ich gehe schon mit Bauchschmerzen in die Praxis.“ Die meisten wünschen sich dann Unterstützung bei der Mitarbeiterführung. Aber wenn wir anfangen zu arbeiten, stellt sich oft heraus, welche Gefühle eigentlich hinter all dem stecken: dass sie sich wie im Hamsterrad fühlen, das Gefühl haben, immer funktionieren zu müssen, Angst vor der Konkurrenz haben, und auch das Privatleben spielt oft mit hinein.

Was kann man denn machen, um Innere Stärke aufzubauen?

Das Wichtigste ist, sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Einerseits, um sich körperlich fit zu halten – denn innere Stärke benötigt auch physische Fitness. Aber andererseits auch, um sich mit den eigenen Gefühlen zu beschäftigen. Meine Empfehlung ist, sich jeden Tag 20 Minuten Zeit dafür zu nehmen, das Handy wegzulegen und einfach mal zu fühlen. Fragen Sie sich dabei: Was macht mir im Moment Freude? Was macht mir gerade Angst? Und so weiter.

20 Minuten am Tag die eigenen Gefühle wahrzunehmen hört sich viel an in einem durchgetakteten Alltag.

Das ist aber wirklich meine Botschaft an die Zahnärztinnen und Zahnärzte: Nimm dir Zeit für dich! Du nimmst dir so viel Zeit für alles, für die Lieferanten und die Patienten und deine Angestellten und die Familie. Für deinen Sport und deine Freunde. Trau dich, dir auch Zeit für dich selbst zu nehmen! Es lohnt sich. Der Psychologe Marshall Rosenberg, der das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation entwickelt hat, sagt: Wenn ich mich selbst verstehe, vermeide ich schon 80 Prozent der Konflikte in meiner Kommunikation.

 

 

 

Wie genau das Konzept der Inneren Stärke und ein regelmäßiger Gefühls-Check-In funktionieren, erläutert Jan Schmidt als Referent bei den solvi days Mallorca 2023 und in seinen anderen Seminaren. Jan Schmidt ist Gründer und Inhaber der DentalTrainer. Mit 15 Jahren Erfahrung als Projektleiter, Geschäftsführer und Vertriebsmanager ist er für namhafte Unternehmen tätig. Als DentalTrainer begleitete er bereits über 100 Praxisinhaber:innen zu mehr Authentizität und Leichtigkeit in der Personalführung und Kommunikation.