4-Tage-Woche in der Zahnarztpraxis: Was Sie dabei beachten sollten
08.09.2023 15:19 Uhr | Personal
Vier Tage arbeiten, drei Tage frei haben – für eine Mehrheit in Deutschland ist das ein Schritt zur idealen Work-Life-Balance. Auch viele Zahnarztpraxen denken gerade über dieses Modell nach. Aber wie genau kann solch eine 4-Tage-Woche aussehen? Was sind die Folgen und was die Kosten? Die solvi-Geschäftsführer:innen Diana Haber und Christian Brendel erklären, worauf Sie achten sollten.
Trend zum Weniger-Arbeiten auch in der Zahnarztpraxis
Eine 4-Tage-Woche macht die Zahnarztpraxis attraktiver
Faustregel: Das Modell richtet sich nach dem Ziel
Modell #1: 4-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich
Modell #2: 4-Tage-Woche ohne Lohnausgleich
Modell #3: 40 Stunden in vier Tagen
Modell #4: Praxen mit Zwittermodell aus langen und kurzen Tagen
Unser Fazit: Wichtig ist die informierte, individuelle Entscheidung
Trend zum Weniger-Arbeiten auch in der Zahnarztpraxis
„Das Thema Vier-Tage-Woche treibt uns schon länger um und gewinnt aktuell immer mehr an Präsenz“, stellt Diana Haber fest. In ihren Beratungen hört die solvi-Geschäftsführerin gerade immer häufiger, dass Inhaber:innen über die Einführung der Vier-Tage-Woche in ihrer Zahnarztpraxis nachdenken. „Grundsätzlich besteht der Trend, dass gerade die jüngeren Arbeitnehmer:innen sich eine gute Work-Life-Balance wünschen und mitbestimmen wollen, wieviel, wann und wo sie arbeiten. Wir kennen aber auch viele ältere Praxisinhaber:innen, die überlegen, wie sie weniger arbeiten können und ihre Einnahmen trotzdem stabil halten. Es gibt also diesen Trend über die Generationen hinweg, und deshalb ist es aus unserer Sicht ein Muss, sich mit dem Thema zu beschäftigen.“
Eine 4-Tage-Woche macht die Zahnarztpraxis attraktiver
Es gibt verschiedene Modelle, wie sich die Vier-Tage-Woche in der Zahnarztpraxis organisieren lässt. Alle haben Vor- und Nachteile. „Einen Vorteil aber bringen alle Modelle mit: Sie machen die Zahnarztpraxis für Mitarbeitende attraktiver“, sagt Christian Brendel, solvi-Geschäftsführer. „Viele Menschen finden es verlockend, ihre Arbeit auf vier Tage zu begrenzen und dafür einen zusätzlichen Tag frei zu haben. Eine Zahnarztpraxis, die darauf eingeht, macht den Beruf der ZFA attraktiver und sich selbst auch.“ Dieser Effekt würde erst nachlassen, wenn sehr viele Praxen auf die 4-Tage-Woche umstellen. „Dann wären die Early Adopter, die zu den ersten gehört haben, aber trotzdem im Vorteil, weil sie sich schon als innovativ und arbeitnehmerfreundlich gezeigt haben.“
Das Modell richtet sich nach dem Ziel
Bevor Sie als Praxisinhaber:in die Vier-Tage-Woche einführen, sollten Sie sich gut überlegen, wofür genau Sie das machen. „Die erste Frage an meine Kunden lautet immer: Warum?“, sagt Diana Haber. „Einfach deshalb, weil die Motivation dahinter die Ausgestaltung prägt. Also: Überlegen Sie sich – gerne auch mit Ihrem Team: Was wollen wir genau erreichen und mit welchem Modell schaffen wir dieses Ziel. Sonst führen Sie eine Struktur ein, die sich möglicherweise als kontraproduktiv herausstellt.“
Modell #1: 4-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich
Sozusagen die „echte“ Vier-Tage-Woche, von der so viele träumen: Die gesamte Zahnarztpraxis reduziert die Arbeitszeit von 40 Stunden auf 32 Stunden pro Woche und macht gemeinsam einen Tag in der Woche frei. „Das sind 50 Prozent mehr Wochenendzeit, für Familie, Sport, zur Erholung oder was einem auch immer wichtig ist. Der Stress reduziert sich, die Überlastung sinkt in allen Bereichen“, sagt Christian Brendel. Und gleichzeitig steigt die Arbeitsleistung – wie Diana Haber ergänzt: „Erste Studien belegen Produktivitätssteigerungen von 20 bis 40 Prozent. Vor allem weil die Mitarbeiter:innen dank der längeren Pausen motivierter und konzentrierter arbeiten können.“
ABER: Finanziell wird es mit diesem Modell sportlich, wie die beiden solvi-Geschäftsführer vorrechnen. „Bei vollem Lohnausgleich habe ich die gleichen Personalkosten wie bei einer Fünf-Tage-Woche, aber 20 Prozent weniger Umsatz“, warnt Diana Haber. Und nicht nur die Personalkosten, auch alle anderen Fixkosten wie Miete, Geräte, Instandhaltungs- und Finanzierungskosten bleiben gleich. Das schlägt sich unmittelbar auf den Gewinn nieder. Wenn modellhaft bisher ein Umsatz von 100 gemacht wurde und die Kosten 65 betrugen, lag der Gewinn bei 35. Sinkt der Umsatz auf 80 und die Kosten bleiben mehr oder weniger gleich, dann reduziert sich der Gewinn auf den Wert 15 – überschlagsmäßig halbiert er sich.
„Um das auszugleichen, muss man wirklich alle Hebel ziehen“, erläutert Christian Brendel. „Denn man muss dann nicht nur die 20 Prozent weniger Umsatz reinholen, sondern auch die normalen Kostensteigerungen von Jahr zu Jahr kompensieren.“ Viele Praxen besprechen deshalb im Team, wo sich noch Effizienzen heben lassen, berichtet Diana Haber. Und manche Praxisinhaber:innen nehmen die Gewinneinbußen auch schlicht hin – weil sie es sich leisten können und weil ihnen ein glückliches Team und ein leichteres Leben das wert ist.
Modell #2: 4-Tage-Woche ohne Lohnausgleich
Finanziell weniger mühsam ist das Modell 4-Tage-Woche ohne Lohnausgleich. Damit geht die Praxis sozusagen kollektiv in Teilzeit: Alle arbeiten nur noch 32 Stunden pro Woche und werden entsprechend bezahlt. „Das finde ich persönlich wenig attraktiv“, sagt Diana Haber. „Denn einen Anspruch auf Teilzeit haben ja Angestellte jetzt schon, in diesem Modell werden sie aber im Grunde dazu gezwungen. Menschen, die lieber voll arbeiten möchten – und die gibt es ja -, werden hier ausgeschlossen. Wer mehr verdienen möchte oder einfach gerne zur Arbeit geht, für den ist eine solche Praxis nichts.“
Modell #3: 40 Stunden in vier Tagen
Heißt: Alle – auch der:die Inhaber:in – behalten ihre Wochenstundenzahl, verteilt auf nur noch vier Tage statt fünf. An einem Wochentag bleibt die Praxis geschlossen, an den anderen Tagen wird „ein bisschen“ mehr gearbeitet. Hört sich erst mal klasse an. „Der Vorteil ist: Weder Praxischef oder -chefin noch die Mitarbeiter:innen haben finanzielle Einbußen, die Behandlungszeit für die Patient:innen bleibt gleich“, erläutert Christian Brendel. „Aber die Arbeitstage werden dann richtig lang, und das muss man sich gut überlegen, ob man das will.“ Statt acht Stunden arbeiten alle zehn Stunden pro Tag. Dazu kommt eine längere Pause als sonst. „Dann fängt man um 8 Uhr morgens an und kommt abends um 19 Uhr aus der Praxis raus“, rechnet Brendel vor. „Ehrenamt, Sportverein und das gemeinsame Abendessen mit den Kindern kann man dann eigentlich vergessen.“
Modell #4: Praxen mit Zwittermodell aus langen und kurzen Tagen
„Einige Praxen arbeiten mit einem Zwittermodell, zum Beispiel zwei langen Tagen pro Woche und drei kurzen von jeweils sechs Stunden“, ergänzt Diana Haber. „Das hat den Vorteil, dass man sich nicht vier Tage in der Woche komplett auspowert und für Abendaktivitäten blockiert. Aber das System ist eher starr. Individuelle Lösungen, zum Beispiel für Teilzeitkräfte, kann man damit kaum noch bieten. Denkbar wäre aber zum Beispiel, dass Behandler:innen und ZFA jeweils an unterschiedlichen Tagen lang arbeiten. Damit steigt dann wiederum der Koordinierungsaufwand für den Dienstplan.“
Unser Fazit: Wichtig ist die informierte, individuelle Entscheidung
Noch ein Hinweis: Bei Vier-Tage-Modellen ist zusätzlich zu bedenken, dass für die Patient:innen die Terminmöglichkeiten sinken. Können Sie sich das leisten? Vielleicht sind Sie sowieso nicht vollständig ausgelastet? „Wichtig ist, dass Sie eine informierte Entscheidung treffen, die Ihren Zielen gerecht wird“, resümiert Diana Haber. Das kann auch heißen, sich aus den Reinform-Modellen, die wir hier vorstellen, Aspekte anzupassen, zum Beispiel keinen vollen Lohnausgleich zu zahlen, aber einen anteiligen. Oder die Arbeitszeit nicht auf 32 Stunden zu reduzieren, sondern auf 36 Stunden.
Wer sich mit dem Thema Vier-Tage-Woche weiter beschäftigen will, kann sich in Folge 86 von Aufgebohrt anhören, was Diana Haber und Christian Brendel noch für Ideen dazu haben. Oder in der neuen Aufgebohrt-WhatsApp-Gruppe mitdiskutieren: Melden Sie sich in Ihrem Handy-Browser an unter aufgebohrt-podcast.de.
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